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Der Fachkräftemangel plagt auch die Fertigungsindustrie. Automatisierung und Digitalisierung heißen die Zauberworte, um dagegen anzugehen. Dabei kann auch der Griff zur AR-Brille helfen ….

Im Labor Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (LFW) der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) in Regensburg wird seit etwas mehr als zwei Jahren der Einsatz von „Augmented Reality“-Brillen (AR) in der mechanischen Fertigung untersucht (Bild 1). Im Rahmen des vom BMWK geförderten ZIM-Projekts „CNC-Visual“ ist eine App für die Hololens 2 von Microsoft entwickelt worden, die die positionsgenaue Montage von Spannmitteln auf den Tischen von Bearbeitungszentren sicher und effizient machen soll.

Im Gegensatz zu einer „Virtual Reality“-Brille (VR) schaut der Mitarbeiter durch die AR-Brille hindurch. Er kann so seine Umgebung nahezu unbeeinträchtigt wahrnehmen. Zur Montage der Spannmittel wird jeder Montageschritt ins Sichtfeld des Anwenders eingeblendet (Bild 2). Sobald die Begrenzungskontur (orange Linie auf dem Werkstück) das zu positionierende Spannelement gleichmäßig einrahmt, ist die exakte Position gefunden. Zusätzlich können ergänzende Montagehinweise oder Stücklisten mit Lagerorten eingeblendet werden. Die Steuerung der App erfolgt über Gesten oder Sprache.

Zur Zielgruppe für diese Anwendung gehören fertigende Unternehmen, die aufgrund von kleinen Losgrößen häufig umrüsten müssen und dafür keine speziellen Vorrichtungen für die positionsgenaue Fixierung der Rohteile verwenden. Ganz oft kommen dann modulare Spannsysteme auf Basis von Lochrastern oder T-Nuten zum Einsatz. Problematisch sind in diesen Fällen alle nicht eindeutig positionierbaren Spannelemente, wie etwa Spannpratzen oder auch zylindrische Erhöhungen, um Teile mit Abstand zur Tischfläche aufspannen zu können.

Die Voraussetzung für den Einsatz der Hololens-2-App ist eine CAD-Spannbaugruppe, die idealerweise bei der Bahnplanung im 3D-CAM-System erstellt wird. Hier erfolgt auch die Kollisionsüberprüfung des NC-Programms. Die Kollisionsfreiheit kann allerdings nur gewährleistet werden, wenn die reale Aufspannung mit der geplanten möglichst gut übereinstimmt. Das soll durch den Einsatz der AR-Brille geschehen. Kommen wir zu den Testbedinungen …

Die Testbedingungen zum Einsatz der AR-Brille

Wie genau das Positionieren funktioniert und ob das Rüsten länger dauert oder am Ende sogar schneller geht und wie die Akzeptanz der Mitarbeiter sich entwickelt, sollte die Praxis zeigen. Zusammen mit der Abteilung Digital Production und Systems der Krones AG mit Hauptsitz in Neutraubling wurde das im Rahmen einer Studie untersucht. Als Referenz diente die aktuelle Vorgehensweise mithilfe einer Aufspannzeichnung (AZ). Die Mitarbeiter orientieren sich dabei am Lochraster der Tischaufspannfläche und am Rohteil. Die Spannelemente werden mehr oder weniger per Augenmaß positioniert.

Für die Studie standen 16 Probanden zur Verfügung. Darunter zehn erfahrene Mitarbeiter, die täglich Rüstprozesse durchführen, und 6 angehende Zerspanungsmechaniker im zweiten und dritten Ausbildungsjahr, die bisher wenig, bis keine Erfahrung im Rüsten hatten. Keiner der Probanden hatte Erfahrung mit der Microsoft-Hololens-2. Um eine möglichst objektive Aussage treffen zu können, hatte jeder dieselbe Aufspannsituation zu meistern – ein Mal mit AZ und ein Mal mit der Hololens 2. Die Hälfte der Gruppe begann mit der Zeichnung, die andere Hälfte zuerst mit der Hololens. Vor Beginn der Versuchsdurchführung wurde die Hololens 2 auf den jeweiligen Probanden kalibriert und jeder konnte sich mithilfe eines kleinen Demonstrationsrüstbeispiels in die App einarbeiten, um sich an die AR-Brille zu gewöhnen. Zur Beurteilung der erreichbaren Genauigkeit wurde nach jedem Rüstprozess die Aufspannung mit einem 3D-Scanner vermessen. Die ermittelten Messdaten wurden mit dem CAD-Modell der Aufspannung verglichen und relevante Abweichungen dokumentiert. Bild 2 zeigt dies beispielhaft für die Spannpratzen.

AR-Brille schlägt Aufspannzeichnung deutlich

Über alle Probanden hinweg ist eine deutlich höhere Positionsgenauigkeit bei der Verwendung der Hololens 2 festzustellen, die im Falle der Spannpratzen sowohl im Mittel als auch bei der Standardabweichung um circa 75 Prozent besser war als mit der Aufspannzeichnung. Betrachtet man die maximalen Abweichungen im Versuch von 25,12 Millimetern (per AZ) und 3,67 Millimetern (per Hololens 2), wird der Unterschied noch deutlicher. Ein Mal kam es vor, dass mit der Aufspannzeichnung ein Anschlagstift in der falschen Gewindebohrung montiert wurde. Die Auszubildenden hatten am Ende bezüglich der erreichten Genauigkeit der Aufspannung die Nase leicht vorne. Auch konnten sie die Aufspannung in derselben Zeit rüsten wie die erfahrenen Mitarbeiter. Im Mittel über alle Probanden lag die Zeiteinsparung bei Verwendung der Microsoft-Brille etwas über 10 Prozent – trotz der kurzen Einarbeitungszeit in die AR-App (unter 10 Minuten). Im Dauereinsatz sind aufgrund steigender Routine weitere Zeitvorteile zu erwarten. Und 15 von 16 Probanden haben nach der Studie klar das Rüsten mit der Hololens 2 favorisiert. Bild 4 zeigt beispielhaft eine entsprechende Messauswertung.

Als Folge dieser Voruntersuchung wird die Krones AG die AR-Methode zunächst an einem, später an einem weiteren Standort in die Praxis einführen. Dazu wird aktuell die Datengenerierung und Datenbereitstellung automatisiert. Der NC-Programmierer muss dann nur im CAM-System die zu montierenden Einzelteile der Spannbaugruppe im Ansichtsfenster einblenden und den Datenexport starten. Alle für den Rüstprozess relevanten Daten werden daraufhin auftragsbezogen auf einem Server abgelegt. Sie können dann mithilfe der AR-Brille über eine Rest-API geladen werden. Der zu rüstende Auftrag kann entweder über einen Auswahldialog aufgerufen werden oder durch Lesen eines Bar- oder QR-Codes. Ob die Umstellung auf die AR-Brille kritisch werden kann und wie es mit der Forschung weitergeht.

Fertigungsausfälle wegen einer Umstellung sind kein Thema

Außer den offensichtlichen Vorteilen bleibt gegenwärtig noch die Frage offen, wie sich die vergleichsweise empfindliche Hardware im Fertigungsumfeld bewährt. Eine Back-up-Brille sollte sinnvollerweise eingeplant werden. Sollte die Technik dennoch ausfallen, so kann immerhin stets auf die alte Methode mit den Aufspannzeichnungen zurückgegriffen werden. Das Risiko eines Fertigungsausfalls aufgrund der Umstellung auf die AR-Technologie ist also nicht zu befürchten. Aufgrund der niedrigen Einarbeitungszeit und in Anbetracht des wachsenden Fachkräftemangels bietet die AR-Lösung auch neue Perspektiven und erlaubt den flexibleren Einsatz von vorhandenem Personal.

Das sind die nächsten geplanten Entwicklungsschritte

Für den hier betrachteten Anwendungsfall (Aufspannplatten bis zu 800 Millimeter × 800 Millimeter) ist die Hololens-2-Anwendung technisch einsatztauglich. Die Entwickler an der OTH Regensburg wollen zukünftig auch größere Tischaufspannflächen mit einer hohen Positioniergenauigkeit abdecken können, wie beispielsweise die von großen Portalfräsmaschinen. Hierzu muss die derzeit verwendete Tracking-Methode, mit der sich die Brille im Raum orientiert, aber noch angepasst werden.

Im Rahmen dieses ZIM-Projekts „CNC-Visual“ wurde noch ein weiterer Einsatzzweck untersucht: Während des Programmlaufs können dem Anwender zusätzliche Informationen in Echtzeit über die AR-Brille eingeblendet werden – beispielsweise ein Hinweis auf einen kurz bevorstehenden Werkzeugwechsel oder einen Programmstopp, um ein Spannelement zu versetzen oder einen Bereich für eine anschließende Messung zu säubern. Diese Ereignisse sind konfigurierbar und mit der Satznummer des NC-Programms gekoppelt. Die Echtzeitverbindung von AR-Brille und CNC-Maschine erfolgt dann über die Schnittstelle OPC UA. Übrigens wird der momentane Stand der Technik auf der EMO Hannover 2023 in Halle 9 am Stand A16 präsentiert.

Quelle:

Foto: Lohnt sich der Einsatz von Augmented Reality (AR) in der mechanischen Fertigung? Eine Anwenderstudie der OTH Regensburg hat das jetzt in der Praxis bestätigt.(Bild: www.fotografie.andreas-ellermeier.de)

https://www.maschinenmarkt.vogel.de/ar-methode-positioniert-spannelemente-exakt-gal-ed3a9102989ef9a8da6c2d57fce89805/?p=2

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