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Start-ups und etablierte Unternehmen entwickeln neue digitale Werkzeuge für Planerinnen und Architekten. Ein Panorama hilfreicher Tools in fünf Kapiteln.

Wer sich am Innovation Lab der diesjährigen Swissbau umgesehen hat, weiss: Unzählige digitale Tools buhlen um die Gunst der Architektinnen und Planer. Ein Punkt verbindet sie alle: Sie nutzen die Möglichkeiten des dreidimensionalen, interaktiven Modells. Mit ihm lassen sich Gebäude testen, fast als wären sie schon gebaut. Verbindet sich das interaktive 3-D-Modell mit den entsprechenden Daten, kann die Planung am Modell simuliert werden. Modelle, Grafiken und Simulationen bieten den Planerinnen und Planern präzise Grundlagen und verbessern so ihre Entscheidungen. Leitungen, die sich in die Quere kommen, Arbeitsplätze, die nicht optimal platziert sind, oder Volumen, die nicht in den Kontext passen, werden erkannt. Das digitale Modell kann einfach angepasst und noch einmal überprüft werden – einfacher als das fertige Gebäude, aber auch unkomplizierter als ein herkömmlicher Plan. Konfiguratoren führen Architektinnen und Architekten durch komplexe Planungsprozesse und zeigen ihnen mögliche Varianten auf. Gleichzeitig helfen die neuen Werkzeuge, die Planungsschritte zu präsentieren und das Projekt zu erklären. Augmented und Virtual Reality vermitteln das Raumgefühl eines noch nicht gebauten Gebäudes so plastisch, wie es mit zweidimensionalen Plänen nicht möglich ist.

Mit der zunehmenden Digitalisierung der Baubranche breiten sich Besteller und Herstellerinnen von Bauteilen entlang der digitalen Kette aus und bieten immer mehr Dienstleistungen an. Das bedroht die Kompetenzen der Planenden. Die hier präsentierten Werkzeuge und Applikationen helfen ihnen, ihren Platz zu behaupten.

1. Entscheidungen

Modelle, Grafiken und Simulationen können präzise Entscheidungsgrundlagen sein. Manuel Frey vom Ingenieurbüro Gruner Roschi in Köniz berät Planerinnen, Architekten und Bauherren. Er übernimmt das dreidimensionale Modell des Architekten und hilft ihm dabei, energetische, klimatische und gebäudetechnische Lösungen zu entwickeln. «Wir wollen nicht nur aufgrund von Zahlen in einer Excel-Tabelle entscheiden, sondern mithilfe von dynamischen Gebäudesimulationen», sagt Frey. Er erklärt sein Vorgehen am Beispiel: «Die Frage lautete: Brauchen alle Büros des geplanten Gebäudes eine aktive Kühlung, um eine Überhitzung auszuschliessen?» Gruner Roschi simulierte aktive und passive Kühlstrategien und konnte aufzeigen, dass nur die exponierten Räume aktiv gekühlt werden müssen. Die Ergebnisse wanderten zurück ins BIM-Modell und standen dort allen Projektbeteiligten zur Verfügung. Gruner setzt Simulationen auch ein, um die Leistung eines bereits gebauten Gebäudes mit den einst angestrebten Werten zu vergleichen. So soll der Betrieb verbessert, zum Beispiel der CO2-Ausstoss reduziert werden. «Als Ingenieure möchten wir zeigen können, dass das, was bestellt, geplant und dann gebaut wurde, am Schluss auch so funktioniert», sagt Manuel Frey.

Wer schnell entscheiden kann, hat Vorteile gegenüber den Mitbewerbern auf dem Markt. Mit dem Webdienst Kennwerte.ch können Planer zum Beispiel innerhalb von zehn Minuten eine Kostenschätzung abgeben. Das System vergleicht die eingetragenen Parameter mit den bereits hinterlegten Datensätzen. Der Algorithmus berechnet den Durchschnitt und stellt grafisch dar, in welchem Bereich das zu schätzende Projekt liegt. An der Swissbau hat Kennwerte.ch zusätzlich einen Rechner für Betriebskosten lanciert. Damit kann der Planer ausrechnen, wie sich seine Bauweise auf die Betriebskosten auswirkt, und zum Beispiel herausfinden, ob sich der Standard Minergie-P auf lange Frist lohnt.

2. Daten

Wer ein 3-D-Modell baut, sollte schon von Beginn weg an spätere Anwendungsfälle denken. «BIM-Projekte scheitern oft, weil ein Planer im Modell des anderen nicht die Daten findet, die er für seine Arbeit braucht», sagt Julian Amann vom Zürcher Start-up Singular. Dadurch entstehe in der Planung viel Leerlauf und unnötiges Hin und Her.

Doch wie sie mit den Daten in den Modellen umgehen sollen, ist vielen Büros noch nicht wirklich klar. Und ohne korrekte Daten im 3-D-Modell entstehen keine präzisen Simulationen. Singular lanciert dieses Frühjahr deshalb eine Applikation, die dieses Problem lösen will. Das Tool prüft das 3-D-Modell des Architekten und zeigt ihm an, wo seine Daten noch ungenügend sind. Zuerst legen Planer und Bauherr fest, welche Daten geprüft werden sollen. Vollständigkeit? Konfliktfreiheit? Kosten? Materialmengen? Dann wird das Modell nach diesen Vorgaben geprüft. Problematische Stellen werden direkt im 3-D-Modell hervorgehoben. Planungsfortschritte werden laufend ausgewertet und können in jeder Phase mit den Projektbeteiligten diskutiert werden. Das Instrument visualisiert die Daten für Personen, die mit 3-D-Modellen nicht besonders vertraut sind. «So können schliesslich aufgrund von BIM-Daten Entscheidungen getroffen werden», sagt Julian Amann. Die Applikation übersetzt Auswertungen auch in Zertifikate, die zum Beispiel prüfen, wie viel graue Energie das geplante Projekt verschlingen wird. Die Zertifikate wiederum helfen, Normen und Standards zu erfüllen.

Während die Anwendung von Singular die 3-D-Modelle auswertet, setzt der Zürcher ETH-Spin-off Archilyse beim Grundriss an. Das Tool zeigt, wie sich ein Grundriss zum Beispiel auf die Sichtbezüge, den Lichteinfall oder die Lärmbelastung auswirkt. So macht es Grundrissqualitäten vergleichbar. «Daten verringern den Interpretationsspielraum», betont auch Matthias Standfest von Archilyse. Wer als Planer die verfügbaren Daten bestmöglich nutze, biete einen Mehrwert und könne sich im Markt damit besser behaupten. Zudem senke die Objektivierung den Aufwand für die Kommunikation.

3. Konfiguratoren

Ein Konfigurator nimmt seine Nutzer bei der Hand und begleitet sie durch den Prozess. Das Schweizer Unternehmen AS Aufzüge bietet seit diesem Frühjahr einen speziellen Helfer dieser Art an. Er besteht aus einem Planungs-, einem Design- und einem Ausschreibungswerkzeug. Die Applikation präsentiert Varianten und bietet Unterstützung bei der Auswahl des richtigen Lifts. «Der Konfigurator soll assistieren, nicht belehren», sagt Marcel Ackermann, der beim Liftbauer für dieses Projekt zuständig ist. Das Prinzip ist einfach: Der Planer wählt zuerst den Gebäudetyp, dann entscheidet er, welcher Lift dazu passt und welcher Typus von Nutzerinnen und Nutzern darin fahren werden. Der von Raumgleiter technisch umgesetzte Konfigurator schlägt eine Standardlösung vor. Davon ausgehend passt der Planer die Konfiguration an sein individuelles Projekt an. Rechts gibt er die Parameter ein, links wird der Lift im 3-D-Modell gezeigt. Was rechts ändert, wird links sofort angepasst. Das Tool übernimmt auch komplexere Planungsschritte: Die Erdbebenkategorie kann mithilfe von GIS-Daten bestimmt werden. Für die hindernisfreie Architektur hält die Applikation verschiedene Infotafeln mit Gesetzen und Normen oder einen Link zur Schweizer Fachstelle bereit. Die Bewegungsflächen gemäss der Norm SIA 500 werden mit den entsprechenden Massen dargestellt.

Stimmt die Konfiguration, übernimmt sie der Architekt in seine Planung. Per Download kann er die Files mit den richtigen Geometrien in sein CAD-Programm laden. Dann entwirft er die Liftkabine, wählt die Materialien, Farben und Funktionselemente. Jederzeit kann er in die Virtual-Reality-Ansicht wechseln und sich in der Kabine umschauen, entweder am Computerbildschirm, über das Handy oder mit einer VR-Brille. Die Interaktion ist bis ins Detail umgesetzt, von der Betätigung des Türöffners bis zur fliessenden Bewegung der sich öffnenden Lifttür. Das Ausschreibungstool zum Schluss stellt sicher, dass die Standards der Schweizerischen Zentralstelle für Baurationalisierung (CRB) eingehalten sind.

4. Präsentation

An vielen Stellen in der Planung ist eine nachvollziehbare Präsentation des Projekts entscheidend. Dreidimensionale Modelle und interaktive Anwendungen vermitteln ein Raumgefühl, das zweidimensionale Pläne nicht hergeben. Die Applikation Archscape bettet 3-D-Modelle in die Landschaft von Google Earth ein und macht sie so in einer virtuellen Realität erlebbar. Das Tool funktioniert für Experten und Laien und bietet verschiedene Darstellungen und Werkzeuge. «Entscheidend ist, dass der Nutzer selbst bestimmt, was zu zeigen ihm am wichtigsten ist», erklärt Daniel Kapr, der Archscape mit seiner Firma Raumgleiter entwickelt hat. So kommt die Applikation einerseits im digitalisierten Wettbewerbsverfahren zum Zug siehe Seite 10 und wird andererseits auch für das digitale Limmatstadtmodell und die Standortförderung eingesetzt siehe Seite 20. Was eine Präsentation ausmacht, hat Kapr an einer Sitzung mit einer Westschweizer Gemeinde erfahren. Er zeigte drei Projektvarianten, eine davon «architektonisch gewagt». Die herkömmliche Aufbereitung mit Tabellen und Plänen liess die Verantwortlichen zweifeln. «Nachdem sie das Projekt mit der VR-Brille angeschaut hatten, waren sie gerade von dieser Variante speziell angetan.» Damit die Modelle in Archscape realistisch aussehen, hat Raumgleiter mit dem Baumaterial-Hub Mtextur eine Schnittstelle entwickelt. So sind fast 50 000 CAD- und BIM-Texturen direkt in der Applikation anwendbar. Sie basieren auf realen Materialien von verschiedenen Herstellern. Die Simulation im Modell zeigt also nicht eine Annäherung, sondern eine echte Auswahl. «Virtuelle Materialbemusterung» nennt es Mtextur-Gründerin Anna-Lena Heldt: «Material spielt in vielen Planungsbereichen eine Rolle – für die Konstruktion, die Nachhaltigkeit oder den architektonischen Ausdruck.» Zur Swissbau-Messe hat sie die Texturen nach Lieferzonen eingeteilt, damit eine Architektin schnell Materialien findet, die sie in ihrer Region beziehen kann. Im Rahmen von Building Information Modeling (BIM) liefert die Datenbank auch Angaben nach eBKP und nach dem offenen Standard IFC mit. Der Planer kann sie direkt im Modell auswerten, verschiedene Materialvarianten durchspielen, rendern und dem Bauherrn zeigen. Mtextur ist in verschiedenen CAD-Anwendungen wie Vectorworks oder Cadwork weltweit integriert, für Sketchup gibt es seit Kurzem ein Plugin. Neu ist CRB für den Vertrieb von Mtextur in der Schweiz verantwortlich.

5. Virtual und Augmented Reality

Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) machen dreidimensionale Modelle virtuell begehbar. Die VR-Brille blendet die Realität komplett aus, erlaubt dafür das vollständige Eintauchen in die Virtualität. Eine AR-Brille hingegen projiziert eine virtuelle Ebene über die Realität. Wer eine AR-Brille aufhat, sieht die physische Umgebung und kann mit den anwesenden Menschen sprechen. Verschiedene Start-ups stehen in den Startlöchern und wollen diese Technologien für Planerinnen und Planer bereitstellen. Der Zugang zur Technologie hat sich vereinfacht, die neusten Brillen funktionieren kabellos und ohne zusätzliche Hardware. Auch die Kosten sind massiv gesunken: Hat ein VR-Headset bis vor Kurzem nach bis zu 5000 Franken gekostet, sind neuere Geräte für etwa 500 Franken zu haben. Zudem verspricht das 5G-Mobilfunknetz schnelle Datenübertragung ohne Verzögerung.

Das Zürcher Start-up Hegias hat ein Content Management System für Virtual Reality entwickelt. «Unser Ziel ist es, VR zu demokratisieren», sagt Gründer Tuan Nguyen. Sein Service funktioniert auf allen Geräten ohne Installation über das Internet. Aktuelle CAD-Formate können importiert werden, BIM-Pläne in jeder Phase begehbar gemacht und per Link geteilt werden. Der Benutzer kann Texturen, Materialien oder die Inneneinrichtung in Echtzeit verändern und einschränken, was ein anderer Benutzer am Modell anpassen kann. Ein Architekt kann sein Projekt also im Massstab 1:1 oder 1:100 präsentieren, nur Volumen darstellen oder auch die Umgebung einblenden. «VR kommt sowieso, da können sich die Planer auch gleich mit den Vorteilen bekannt machen», sagt Ngyen.

Holo One aus Lenzburg AG verbindet mit der Applikation Sphere drei Anwendungen: die Zusammenarbeit am 3-D-Modell, das Training und die Ausbildung an Maschinen und schliesslich den Experteneinsatz aus der Distanz. Abwesende Mitarbeiter können per Avatar präsent sein, Layers können ein oder ausgeblendet werden, je nachdem, was besprochen wird. Sphere arbeitet unter anderem mit der Hololens2 von Microsoft. Mit der neuen Brille können virtuelle Elemente präziser auf die realen abgestimmt werden. «Für den Einsatz auf der Baustelle, zum Beispiel bei der Mängelaufnahme, macht das einen grossen Unterschied», sagt Alessandro Brönnimann von Holo One.

Auch Holo Planning nutzt Augmented Reality und verwendet die Hololens2. Hinter der Anwendung steht die Firma Afca aus Zollikofen BE, die die Applikaton in Zusammenarbeit mit dem Amt für Städtebau der Stadt Zürich entwickelt hat siehe Seite 22. Wer bezahlt und Teil der Community ist, hilft mit, das Tool weiterzuentwickeln. Marko Bublic denkt, dass Augmented Reality die traditionellen Holz- und Gipsmodelle ersetzen wird, weil in Zukunft 3-D-Modelle auf dem Tisch projiziert und diskutiert werden. «Noch sind die Pläne der Architekten zu detailliert», sagt Bublic. «Wir passen die 3-D-Modelle an, damit sie optimal auf der Datenbrille dargestellt werden.»

 

Quelle:

Dieser Artikel stammt aus dem Themenheft «Architektur simulieren», das Hochparterre in Zusammenarbeit mit Raumgleiter und unterstützt von AS Aufzüge, CRB, Gruner, Mtextur, Singular, Swiss Prime Site herausgegeben hat. Es kann im Webshop bestellt oder als E-Paper auf dem Bildschirm gelesen werden.

https://www.hochparterre.ch/nachrichten/planung-staedtebau/blog/post/detail/die-neuen-instrumente-der-planer/1585668143/

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