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Das Grauen der Erde hat acht Beine und krabbelt Wände hoch: Viele Menschen sind von unbeherrschbaren Ängsten geplagt, zum Beispiel vor Spinnen oder engen Räumen. Ihnen kann geholfen werden.

Einen Rucksack, eine Brille, fünfzehn Kameras: Mehr braucht man im Labor der Heilbronner Hochschule nicht, um sich seinen Ängsten zu stellen. Hier kann man in sicherer Umgebung vermeintlich am Abgrund stehen, haarige Spinnenbeine streicheln oder vor einer Gruppe unaufmerksamer Zuhörer eine Rede halten.

Evelyn heißt die Virtual Reality Plattform, die hier im Unity Lab entwickelt wird, und in der der Promotionsstudent Philipp Schäfer gemeinsam mit Programmierern und Architekten immer neue Welten schafft. Welten, die nur in der virtuellen Realität existieren, die Probanden ins Schwitzen bringen und in denen Menschen mit Phobien ihren Ängsten begegnen können.

Virtual Reality (VR) gilt in der Psychotherapie bereits als wichtiges Instrument bei der Behandlung von Zwangsstörungen, Traumata und Phobien: Im schwedischen Göteborg wurden Menschen, die nach einer Amputation unter chronischen Phantomschmerzen leiden, mithilfe virtueller Gliedmaßen und Augmented Reality behandelt. Londoner Forscher trainierten mit einem Kind-Avatar das Empathievermögen depressiver Menschen. Und die Fachgesellschaft der Psychiater und Neurologen (DGPPN) empfiehlt Therapeuten unter bestimmten Umständen bereits, die VR-Therapie bei Phobien einzusetzen.

Die Augen austricksen

„Bei Phobien kann man allgemeine Szenarien erschaffen, deswegen fangen wir damit an“, erklärt Gerrit Meixner, leitender Informatiker des Projekts in Heilbronn. „Geht es um persönliche Traumata, muss man das Programm natürlich viel individueller auf den einzelnen Patienten ausrichten.“

VR-Brillen spielen mit der sogenannten Stereoskopie, bei der die beiden Bildschirme für jedes Auge ein etwas anderes Bild zeigen. Dadurch entsteht ein räumlicher Eindruck von Tiefe, der physikalisch gar nicht vorhanden ist. Mit dem dazugehörigen PC im Rucksack kann man sich im 50 Quadratmeter leeren, weißen Raum des Unity Labs völlig frei bewegen.

„Wir haben hier 15 Kameras verbaut, die alle Bewegungen aufzeichnen“, erklärt Schäfer. „Man bewegt sich ganz natürlich durch den Raum und trägt dabei den Rucksack. Die Bewegungsdaten werden verarbeitet und in der VR übertragen.“ Mithilfe eines Datenhandschuhs mit haptischem Feedback kann man außerdem Gegenstände wie Bälle oder Würfel berühren, hochnehmen oder ablegen. Ob die Objekte kalt, kantig oder flauschig sind, spürt man bislang noch nicht, der Handschuh vibriert lediglich bei jedem Griff.

„An die spezifische Angst angepasst“

In einem virtuellen Konferenzraum etwa, vor einem Rednerpult und einem aufgeklappten Laptop, kann man hier die nächste Präsentation im Meeting trainieren. Und die Angst ablegen, vor anderen zu sprechen. „Das ist natürlich nur eine von vielen Möglichkeiten, sozialen Stress zu simulieren“, sagt Meixner und Schäfer fügt hinzu: „Wir passen das an die spezifische Angst an.“

Das Ziel ist, bis Oktober 2019 psychiatrische Ambulanzen mit Evelyn Systemen auszustatten. Bis dahin wird das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert, bis dahin soll aus den weißen Avataren, die in dem Programm noch ungelenk und etwas widerspenstig herum marschieren, etwas Handfestes geworden sein. Wenn man derzeit mit VR-Brille an sich selbst hinunter blickt, bewegt sich dort noch ruckartig ein weißer, glatter Körper. „Das ist noch ein Prototyp. Schön ist der in der Tat nicht. Sogar ein bisschen eklig“, gibt Philipp Schäfer zu. „Da müssen noch Designer ran, um einen realistischen Körper zu kreieren“.

„Der Vorteil einer Therapie mit Virtual Reality ist, dass sie kostengünstig, risikoarm und effizienter für den Patienten wird“, so Meixner. In der Konfrontationstherapie sind die angstauslösenden Szenarien auf diese Weise beliebig oft reproduzierbar – ohne dass ein Therapeut mehrere Einmachgläser voller Insekten horten oder mit seinen Patienten auf die Dächer von Hochhäusern steigen muss.

Konfrontationstherapie zu Hause auf dem Sofa

In der VR können Phobiker und Therapeut die Spinne immer wieder aufs Neue das Bein hinauf krabbeln lassen, gemeinsam können sie über eine Autobahn rasen oder die Landung des Flugzeugs überstehen. Im Gegensatz zur Hypnose ist diese Vorgehensweise berechenbarer und kalkulierbarer. Man weiß genau, was der Träger der Brille gerade erlebt und der Therapeut kann es mit ihm teilen.

Außerdem kann der Patient in der fortgeschrittenen Phase der Behandlung das Training auch alleine weiterführen. Die Heilbronner Wissenschaftler arbeiten derzeit an mobilen Anwendungen, die man mithilfe des Smartphones und dem Daydream VR-Headset von Google zu Hause auf dem heimischen Sofa nutzen kann. Von einem solchen Alleingang im frühen Stadium der Therapie rät Meixner jedoch ab: „Ich leide selber unter Höhenangst und ich versichere, dass diese Simulation sich wirklich echt anfühlt.“

Quelle:
http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/virtual-reality-in-der-psychotherapie-angst-und-panik-besiegen-a-1178437.html

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